Wer darf Erinnern?
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Dersimer
mit besonderer Freude heiße ich Sie im Namen der Föderation der Dersim Gemeinden in Europa willkommen. Mein Name ist Kemal Karabulut, und ich führe den Vorsitz dieser Föderation und bin Mietglied der Dersim Kultur Gemeinde in Berlin
Me ve xerdi, sıma xer ame!
Das heißt in meiner Muttersprache Zaza: Guten Tag, Ihr seid willkommen.
Wir haben gerade ein Lied gehört, welches auch in meiner Muttersprache Zaza war. Dieses Lied habe ich in meiner Kindheit oft gehört. Bei diesem Trauerlied ging es um einen im Koreakrieg ums Leben gekommenen Dersimer Soldat. Er war ein entfernter Verwandter von mir. Es wurde von seiner Mutter geschrieben als Ihr Sohn tot zurückkam und drückt Ihre Gefühle aus. Er war einer von vielen befallenen Dersimern.
Die Türkei wollte mit der Bereitstellung von Soldaten im Koreakrieg Ihre Aufnahme in der Nato befördern. Es wurden dafür vor allem Soldaten aus Minderheiten in der Türkei eingezogen und damit auch Dersimer.
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Ich war völlig schockiert als ich die Opferzahlen in diesem krieg hörte. Drei bis 4,5 Millionen Menschen kamen im ersten „heißen“ Konflikt des Kalten Krieges zwischen 1950 und 1953 in Korea ums Leben. Mir war zwar bewusst das des einen Koreakrieg gab, aber die das Ausmaß der Opferzahlen war mir unbekannt.
Ich Trauer mit Ihnen um die Opfer und Teile mit Ihnen Ihren Schmerz.
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Zu der Geschichte von Tertele in Dersim 1937/38:
Am 4. Mai 1937 erließ der Ministerrat der Großen Nationalversammlung der Türkei ein Sonderdekret mit dem Titel „Dersim-Tenkil-Beschlüsse“. Dieses Datum markierte den offiziellen Beginn des Tertele. Diese Entscheidung wurde von den Dersimern als der Startpunkt des Tertele anerkannt, und von diesem Tag an setzte die Republik Türkei eine grausame militärische Operation gegen Dersim in Gang.
Es ist unbestreitbar, dass in Dersim eine übermäßige Militärmacht eingesetzt wurde und ein Völkermord an den Kizilbasch-Aleviten begangen wurde. Im Sommer 1938 wurden Zivilisten aus ihren Dörfern zusammengetrieben, an hunderten verschiedenen Orten mit gefesselten Händen und Armen erschossen oder mit Öl übergossen und verbrannt. Diejenigen, die Zuflucht in den Berghöhlen suchten, wurden durch giftige Gase aus Deutschland ausgelöscht. Die geschätzte Zahl der Getöteten bei diesen Massenmorden beläuft sich auf 70.000, hauptsächlich Frauen und Kinder.
Dersim sollte nach der damaligen Staatsideologie der Kemalisten sowohl ethnisch als auch religiös „gesäubert“ werden. Ein militärischer Ausnahmezustand wurde über Dersim verhängt, und im Winter 1936/37 übernahm die Armee die Kontrolle über die Region, um den geplanten Völkermord durchzuführen. Nach 1938 wurden die verbleibenden Familien zwangsumgesiedelt.
Seit dem Völkermord sind Gedenkveranstaltungen in der Türkei untersagt. In den letzten Jahren werden jedoch am 4. Mai, dem Jahrestag der Angriffe auf Dersim im Jahre 1937/38, Proteste an verschiedenen Orten in der Türkei organisiert, die von Sicherheitskräften hart unterdrückt werden.
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In den 60er Jahren benötigte die deutsche Industrie Arbeitskräfte, und Menschen aus verschiedenen Ländern folgten diesem Ruf. Sie brachten nicht nur ihre Arbeitskraft mit, sondern auch ihre Geschichte, Kultur und Identität. Die Dersimer sind Teil dieser Gruppe und wurden durch die Nichtanerkennung der wahren Geschichte durch die türkische Seite seelisch verletzt.
Die Dersim Kultur Gemeinde Berlin organisiert seit ihrer Gründung im Jahr 1993 Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen, wissenschaftliche Konferenzen und Konzerte. In den letzten fünf Jahren versammeln wir uns am 4. Mai mit Geistlichen verschiedener Religionen, Wissenschaftlern, Politikern, Künstlern und Vertretern verschiedener Gemeinden im Andachtsraum des Bundesparlaments, um zu gedenken. Bei unserem diesjährigen Gedenktreffen hielt auch die Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau, eine Rede.
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Im Jahr 2014 haben wir einen Antrag auf ein Tertele-Denkmal Dersim 1937/38 in Berlin beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gestellt:
Dieser erfuhr eine Mehrheitliche Zustimmung und wurde mehreren Kommissionen vorgestellt. Wir erregten Aufmerksamkeit in den Medien, sowohl in Deutschland als auch in der Türkei.
Trotz Widerständen wurde im Jahr 2018 in Kooperation mit dem Kreuzberg Museum und Beteiligung der Freien Universität und der Technischen Universität Berlin ein großes Symposium durchgeführt.
Wir hoffen, dass wir das Denkmal am 4. Mai 2024 enthüllen können.
Welche Bedeutung hat das Gedenken für die Dersim Gemeinde?
Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hat am 22.11.2022 beschlossen, jedes Jahr am 4. Mai einen Gedenkbrief an die Dersim Gemeinde zu senden und diesen auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. Solche Maßnahmen tragen dazu bei, dass die Generationen nach 1938, die mit schrecklichen Kriegsgeschichten aufwuchsen, seelisch gestärkt werden.
Es geht nicht nur um ein Denkmal, sondern um die Anerkennung unserer Geschichte und Kultur. Wir streben danach, in die Gesellschaft integriert und gesehen zu werden. Wir möchten, dass die dunklen Seiten der türkischen Geschichte beleuchtet werden, dass die schreckliche Vergangenheit aufgearbeitet wird und seelischer Frieden einkehrt.
Föderation der Dersim Gemeinden in Europa (FDG)